"Es ist nur ein Spiel, es ist nur ein Spiel", sagte irgend jemand von den FU-Fighters vor Beginn des Finales in der Small Size League.
Es klang wie ein Mantra, das in diesem Moment aber keine beruhigende
Wirkung mehr entfalten konnte. Denn dieses Spiel wird von allen
Beteiligten sehr ernst genommen. Zumal die FU-Fighters als amtierender
Weltmeister hier einen Ruf zu verteidigen hatten -- und dann auch noch
gegen den Angstgegner Big Red von der Cornell University,
New York, gegen deren Roboter ihnen noch kein Sieg gelungen war. Doch
was das Mantra nicht schaffte, gelang dann den kleinen, wendigen
Robotern auf dem Spielfeld. Es mag die vierte oder fünfte Spielminute
gewesen sein (die Anzeige war von meiner Position aus nicht zu
erkennen), als ein Spieler einen Eckstoß nutzte, um den Ball aus sehr
spitzem Winkel ins Big-Red-Tor zu befördern. Nur wenige Sekunden danach
erhöhten die FU-Fighters mit einem Weitschuss aus der eigenen Hälfte
heraus auf 2:0. Es ging zwar nicht in gleichem Tempo weiter, aber die
Marschrichtung war damit vorgegeben. Mit 3:0 ging das Spiel in die
Halbzeitpause, danach konnten die FU-Fighters nach einem schönen
Dribbling noch einen ihrer gefürchteten hohen Bälle im gegnerischen Tor
unterbringen. Der Sieg schien keinen Moment gefährdet. Die FU-Fighters
können ihren zweiten Weltmeistertitel feiern.
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Szene aus dem Finale der Middle Size: FU-Fighters (blau) gegen Eigen (violett) |
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Im Finalspiel der
Middle Size League gegen Weltmeister
Eigen von der japanischen Keio University
zeigten die Berliner ebenfalls großen Kampfgeist. Mit enormer
Geschwindigkeit rasten die Roboter beider Teams aufeinander zu. "Oh,
sind die schnell!", rief RoboCup-Gründungspräsident Hiroaki Kitano
begeistert, der sich am Spielfeldrand auf den Boden gehockt hatte. Er
konnte mit der Show zufrieden sein. Die FU-Fighters verteidigten sich
extrem gut und trafen zweimal das japanische Tor -- die Japaner ihres
allerdings dreimal.
Gleichwohl jubelten die Berliner, als hätten sie gewonnen.
Über einen zweiten Platz können sich die Brainstormers dagegen
mittlerweile nicht mehr so recht freuen, den haben sie einfach schon zu
oft erreicht. Diesmal hatten sie gleich eine doppelte Chance, das
Trauma des ewigen Zweiten abzulegen: Sowohl in der zweidimensionalen
als auch in der dreidimensionalen Simulationsliga
waren sie ins Endspiel gekommen. In der 3D-Liga trafen sie zunächst auf
das Team Aria aus dem Iran. Recht bald war klar, dass es nicht klappen
würde. Die iranischen Spieler standen besser, waren häufiger am Ball
und beförderten ihn viermal ins Tor. Den Brainstormers gelang kein
Gegentreffer.
Das Finale gegen das chinesische Team Wright Eagle in der 2D-Liga
folgte gleich im Anschluss. Brainstormers-Gründer Martin Riedmiller von
der Universität Osnabrück hatte schon vorher gesagt, dass das Niveau in
dieser Liga mittlerweile enorm hoch sei, die Unterschiede zwischen den
acht besten Teams sehr gering. Das bestätigte sich jetzt. Die Spieler
von Wright Eagle schienen über die besseren Basisfähigkeiten wie
Dribbeln und Laufen zum Ball zu verfügen, die Brainstormers dagegen
über die bessere Strategie -- was ihnen am Ende zu einem 3:0-Sieg
verhalf. Martin Riedmiller wirkte so, als wäre ihm ein Felsbrocken vom
Herzen gefallen. Endlich Weltmeister!
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Das Team NimbRo
aus Freiburg hatte wohl nicht im Ernst daran geglaubt, im Teamfinale
der Humanoiden-Liga gegen das Team Osaka mit dem überlegenen Roboter Vision Nexta
bestehen zu können. Allein der Einzug ins Finale war schon ein
Riesenerfolg. Aber auch das Spiel selbst konnte sich sehen lassen. Die
Freiburger Roboter, die mit ihrer Kamera lediglich 2 bis 3 Bilder pro
Sekunde verarbeiten können, bewegten sich sehr zielstrebig zum Ball,
verstellten dem Gegner oft die Schusslinie und richteten sich aus
eigener Kraft wieder auf, wenn sie stürzten, was relativ häufig
geschah. Manchmal rissen sie dann Vision Nexta mit sich, aber auch
dieser Roboter kann sich mittlerweile aus allen Position wieder
aufrichten.
NimbRo spielte ohne Torwart. "Die schnellen Schüsse von Vision Nexta
würde unser Roboter ohnehin nicht sehen", sagte Teamleiter Sven Behnke.
Die Strategie erwies sich als richtig, auch wenn sie nicht zum Sieg
führte. Immerhin trafen die Freiburger einmal das gegnerische Tor,
Endstand 2:1. Auf Anhieb Vizeweltmeister in dieser Liga zu werden, ist
ein fantastischer Erfolg.
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Das German Team feiert den zweiten Weltmeistertitel. |
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Die tapsigen Bewegungen der humanoiden Roboter erinnerten ein wenig an
die der Vierbeiner in der Anfangszeit von deren Liga. Insofern zeigte
deren Finale, was bei den Zweibeinern in den kommenden Jahren zu
erwarten ist. Weltmeister German Team traf hier auf die NUBots aus dem
australischen Newcastle, und es war eine Partie, wie das Publikum sie
liebt, mit zwei absolut gleich starken Teams. Selten, dass mal ein
Roboter freie Bahn hatte. Bevor ein Spieler sich zum Schuss
positionieren konnte, war zumeist schon ein Gegner bei ihm, um ihn zu
stören oder ihm den Ball abzunehmen. Das German Team legte mit 1:0 vor,
doch die Australier konterten schnell und führten am Ende der ersten
Halbzeit mit 2:1.
Den Ausgleichstreffer hatten die deutschen Roboter in der zweiten
Halbzeit ständig auf der Pfote, aber erst in der sechsten Minute gelang
er. Beim Stand von 2:2 nach Ablauf der regulären Spielzeit von zweimal
zehn Minuten mussten Strafstöße entscheiden. Die Regeln sehen dabei
vor, dass ein Strafstoß als Treffer gewertet wird, wenn der Torwart vor
dem Angreifer den Ball berührt. Deswegen hatte das German Team seine
Stürmer so programmiert, dass sie sich die ersten 20 Sekunden nach dem
Pfiff nicht bewegten, in der Hoffnung, der gegnerische Torwart würde
nach vorne laufen. Insgesamt ist bei jedem Strafstoß eine Minute Zeit,
den Ball über die Torlinie zu bringen.
Die Australier fielen auf die Taktik allerdings nicht herein. Ihr
Torwart wartete immer ein Stück vor dem Ball, bis der Angreifer ihn
kickte. Dennoch gelang es den Deutschen, zwei Strafstöße zu verwandeln.
Die Australier trafen einmal, waren aber jeweils als zweites Team dran,
sodass alles vom letzten Strafstoß abhing. Der deutsche Torwart konnte
zwar zunächst abwehren, doch der Ball blieb auf dem Feld, rollte ihn
die andere Hälfte, verfolgt von beiden Spielern. Dann konnte der
australische Roboter den Ball erobern, lief auf das verwaiste Tor zu,
schoss. Der Ball rollte parallel zur Torlinie knapp am Tor vorbei,
balancierte noch kurz auf der Tor-Auslinie -- und rollte ins Aus. Nach
diesem Fußballkrimi entlud sich die Anspannung beim German Team in
lautem Jubel. Zum zweiten Mal Weltmeister!
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Elfmeterkrimi im Finale der Vierbeiner-Liga |
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Das Endspiel in der Liga der vierbeinigen Roboter war wohl eines der
spannendsten dieses Turniers. Aber das war noch nicht alles. Auch bei
den Junioren kommt ein Weltmeister aus Deutschland. In der
Junior-Soccer-Liga gab es in diesem Jahr erstmals die Superteams, die
nach dem Zufallsprinzip in jeder Gruppe aus jeweils drei regulären
Teams gebildet wurden. Auf diese Weise soll einem zu starken
Konkurrenzdenken entgegen gewirkt werden. In der Kategorie "Zwei gegen
zwei" bei Schülern der Sekundarstufe kam das Team Mission Possible
Reloaded aus Saarlouis -- ein Projekt der Initiative
RIDS
(Roboter in der Schule) -- so mit einem chinesischen und einem
taiwanesischen Team zusammen. Die vermutlich erheblichen sprachlichen
Verständigungsschwierigkeiten konnten dieses Superteam jedoch nicht
aufhalten. Schon nach sechs Spielen hatte es fünfmal gewonnen und den
Titel bereits in der Tasche.
Mit dem Turnier ist der diesjährige RoboCup noch nicht zu Ende.
Schließlich dient die ganze Veranstaltung dazu, Forschungen zur Robotik
und Künstlichen Intelligenz voranzubringen. Daher treffen sich die
Teilnehmer an den folgenden beiden Tagen noch zu einem Symposium.
Hierbei sind die Deutschen mit insgesamt 25 Vorträgen ebenfalls
Spitzenreiter. Davon stammen allein 17 aus dem Umfeld des
DFG-Schwerpunktprogramms "Kooperierende Teams mobiler Roboter in
dynamischen Umgebungen".
Um es kurz zusammenzufassen: Eine klasse Veranstaltung. Die
exzellente Leistung der hiesigen Organisatoren hat die Messlatte für
die nächste RoboCup-Weltmeisterschaft in Bremen vom 14.-20. Juni 2006
hoch gelegt.
Aber die für diesen Jubiläums-RoboCup Nr. 10 Verantwortlichen wirken
höchst motiviert, die Herausforderung anzunehmen. Auch der Bremer
Bürgermeister Henning Scherf, der sich hier heute die Roboterspiele
ansah, wirkte dabei eigentlich recht gut gelaunt.
Und wer nicht so lange warten will: Statt der German Open, die
nächstes Jahr ausfallen, wird es zwei bis drei Monate vor der
Weltmeisterschaft eine Europameisterschaft im niederländischen
Eindhoven geben, organisiert vom Team Philips und der Universität
Groningen.
Zur RoboCup-WM 2005 siehe auch:
Zur letztjährigen RoboCup-WM siehe:
(
Hans-Arthur Marsiske)
(
vza/c't)